Synode mit Simone
Drei Tage Rom unter Frauen, während im Vatikan die Weltbischofssynode über die Zukunft der Katholischen Kirche diskutiert. Die besondere Atmosphäre war in der ganzen Stadt spürbar. SKF-Präsidentin Simone Curau-Aepli reiste nach Rom, um für Gleichwürdigkeit einzustehen und sich zu vernetzen. Was Simone erlebte, schildert sie in im SKF-Blog.
Wenn ich 2023 nach Rom reise, ist es für mich die dritte Reise in die «ewige Stadt». Zum Jahreswechsel 1980/1981 war ich Teilnehmerin am europäischen Taizé-Treffen und sang im Chor mit. Das war für mich als junge Frau eine tiefe Erfahrung einer lebendigen Glaubens-Gemeinschaft im Singen. An die Reise im Sommer 2016, die ich im Rahmen des Projekts Kirche mit* den Frauen organisiert habe, kann ich direkt anknüpfen. Wir forderten Mitsprache und Mitbestimmung für Frauen bei allen wesentlichen Themen und Entscheidungen. Drei Schweizer Bischöfe waren vor Ort und haben uns das Versprechen abgegeben, sich für diese Veränderungen einzusetzen.
Nun reiste ich wieder nach Rom, um einzustehen für strukturelle Veränderungen in der Katholischen Kirche. Damit Macht und Verantwortung geteilt und dass die Berufungen und Kompetenzen von Frauen endlich nicht mehr negiert und ignoriert werden. Als gut vernetzte Frau reise ich in verschiedenen Funktionen nach Rom. Vier verschiedene Hüte trage ich sozusagen: In erster Linie sichtbar war der Hut des Catholic Women’s Council CWC, einem weltweiten Netzwerk von Frauen und Frauenorganisationen, die sich unter dem Credo «Gleiche Würde und gleiche Rechte» für Frauen in der Katholischen Kirche einsetzen. Dann trug ich den Hut der Allianz Gleichwürdig Katholisch AGK, dem Netzwerk in der Schweiz, dem sich Organisationen und Privatpersonen zugehörig fühlen, die sich für die Gleichwürdigkeit von allen Menschen in der Katholischen Kirche einsetzen, unabhängig von Geschlecht, Zivilstand, sexueller Orientierung oder Berufsstand. Als Präsidentin des Frauenbunds trage ich selbstverständlich mit Stolz den Hut des SKF, dem Netzwerk von rund 120'000 Frauen in über 600 Frauengemeinschaften und Mitgliedsorganisationen. Und dann ja, bin ich Simone, 62 Jahre alt, Ehefrau, Mutter und Grossmutter, aufgewachsen, sozialisiert und politisiert im katholischen Milieu, und fest entschlossen, mich als katholische Frau für fundamentale Veränderungen in dieser Kirche, meiner Kirche einzusetzen.
Viereinhalb Stunden Gesang täglich
Die Frauensingwoche in Ligurien Anfang Oktober war für mich die ideale Vorbereitung für die Tage in Rom. Im Oratorio di Santa Caterina in Cervo zusammen mit 25 Frauen viereinhalb Stunden täglich zu singen, liess mich Körper, Geist und Seele auftanken. Es war ein passender Einstieg in den fünftägigen Aufenthalt in dieser von «His-Story» triefenden Stadt, dass ich am freien Sonntag zusammen mit Renata Asal, ihrerseits Präsidentin der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz RKZ, die Kirche und Krypta Santa Caecilia in Trastevere besucht habe, die Kirche einer Heiligen Frau, die als Patronin der Kirchenmusik weltweit verehrt wird. Wir waren fasziniert und berührt von diesem Kraftort der Frau, die im 2. Jahrhundert mutig und unerschrocken für ihren Glauben eingestanden ist.
Priester(innen)tum abschaffen
Der Austausch beim Abendessen mit Virginia Saldanha aus Indien, der Vorsitzenden des Vorstands des CWC, hat mich dann ganz anders herausgefordert. Sie begleitete eine Gruppe von zehn Missbrauchsüberlebenden der weltweit agierenden Organisation Ending Clergy Abuse (ECA). Virginia plädiert für eine Kirche, die sich komplett vom Klerikalismus verabschiedet, weil dies ein Relikt aus der Kolonialzeit und dem Patriarchat sei. Um diese Haltung und das entschiedene Eintreten gegen Missbrauch sichtbar zu machen, trug sie gemeinsam mit den Überlebenden ein Kreuz mit der Aufschrift «Zero Tolerance» durch Rom. Das Machtgefälle innerhalb der christlichen Kirche sei der Hauptgrund, dass es für Geistliche so leicht sei, Personen geistig und sexuell zu missbrauchen. Sie lehnt daher das Priester:innentum sowohl für Männer wie für Frauen ab. Virginia ist überzeug, dass ansonsten toxische Strukturen und Machtverhältnisse bestehen bleiben. Sie steht ein für neue Gemeinden von Gleichwürdigen, die sich in ihren Berufungen, Begabungen und Kompetenzen bestärken und sich gegenseitig ermächtigen für bestimmte Aufgaben – ganz ohne Klerus und Hochwürden.
50 Paar Schuhe für öffentliche Aktion
9. Oktober
Ein Streik und damit ein Lahmlegen des öffentlichen Verkehrs ist so was von normal für Römer:innen, für uns aber eine zusätzliche Hürde, unsere Aufgaben in dieser grossen Stadt zu erledigen. Für unsere Aktion «Walk in her Shoes» konnten wir in der Brockenstube von San Egidio 50 Paar Frauenschuhe abholen. Diese wurden uns leihweise und kostenlos zur Verfügung gestellt. Wir deponierten die drei Kisten mit den Schuhen bereits zwei Tage vorab am Ort der Aktion, in der Casa Bonus Pastor. Die Personen an der Rezeption waren mehr oder weniger im Bild über unsere Aktion und hiessen uns willkommen. Der Ort mit dem schönen grossen Haus und dem grossen Park erschien uns passend.
Katholikinnen aus der ganzen Welt
An der ersten Zusammenkunft der Frauen aus de, CWC-Netzwerk auf der Dachterrasse unseres Wohnorts, der Casa Santa Maria, wurde spürbar, dass sich viele schon aus den Online-Meetings der letzten Jahre bekannt oder gar vertraut waren. Vor allem die jungen Frauen aus Spanien und Frankreich sprühten vor Tatendrang und haben uns mit ihrem Enthusiasmus angesteckt. Die beruflichen und persönlichen Erfahrungen der CWC-Frauen aus Australien, Indien, Südafrika, Kolumbien, Frankreich, Spanien oder Italien zu hören, liess mich aber immer wieder erschaudern. So musste eine junge Theologin Polen verlassen und nach Belgien ziehen, weil sie feministisch-theologische Forschung betrieben hat und dies von den Bischöfen nicht toleriert worden ist. Wenn Konservatismus, Machismo und Klerikalismus zusammentreffen, kumulieren sich auch Machtmissbrauch und Diskriminierung. Und trotzdem gibt es überall Frauen, die sich für #GleicheWürdeGleicheRechte in Kirche und Gesellschaft einsetzen.
Vielfältige Perspektiven
10. Oktober
Auf den Hauptanlass des CWC, dem hybriden Zusammentreffen der Mitgliedsorganisationen, haben wir uns alle sehr gefreut. Dass mit Helena Jeppesen aus der Schweiz, als Delegierte für Europa, Sister Caroline Saheed Jarjis aus dem Irak und Schwester Shizue Filomena Hirota aus Japan drei Frauen aus der Synode mit uns vor Ort sein würden, war vielversprechend. Rund 40 Plakate zeigten im Raum die Vielfalt der Organisationen und Aktivitäten weltweit. Es wurde sicht- und hörbar, dass Frauen ganz verschiedene Wege in Betracht ziehen, um für #GleicheWürdeGleicheRechte einzustehen. Die einen kämpfen für die Ordination von Frauen bzw. liessen sich bereits ordinieren und zeigen dies mit Kollar, also einem schwarz-weissen Priester:innenkragen. Andere sind überzeugt, dass sich Frauen nicht in die patriarchale Hierarchie einordnen sollen, sondern dass christliche Gemeinden sich als Gemeinschaft unter gleichwürdigen Menschen verstehen und daher keine Priester:innen ernannt werden sollten.
Ich war sehr beeindruckt von den drei persönlichen Erfahrungsberichten von offiziellen Teilnehmerinnen der Synode. Alle drei waren sich einig, dass die erhoffte neue Kultur in der synodalen Versammlung und der Wille zu fundamentalen Veränderungen spürbar seien. «Unsere» Helena Jeppesen beschrieb, welchen Unterschied es macht, dass Frauen erstmals an einer Synode dabei sind. Sie belassen es nicht dabei, Themen zu analysieren, sondern verlangen nach Konkretisierung und bringen konkrete Ideen proaktiv in die Diskussionen ein. Das ist es, was diese Synode hervorbringen muss: Konkrete Ergebnisse. Es wurde nun lange genug zugehört. Jetzt gilt es, das Gehörte zu konkretisieren, in der Theologie, in der Pastorale und der Katechese.
Veto aus Rom
11. Oktober
Dass wir auf Widerstand stossen mit unseren Forderungen, habe ich erwartet. Dass wir aber mit unserer Aktion «Walk in her Shoes» auflaufen, hat mich irritiert. Die Vorfreude war gross, als wir am Morgen mit Sack und Pack, Plakaten, Flyern und weissen Bändern zur Casa Bonus Pastor aufgebrochen sind, um uns einzurichten. Zum Projektteam vor Ort gehörten, Regula Grünenfelder, Alina Erni, Franziska Zen Ruffinen, Renata Asal und ich, unterstützt aus der Ferne von Mentari Baumann (AGK) und Sarah Paciarelli (SKF). An der Rezeption wurden wir höflich, aber unmissverständlich darüber informiert, dass die Installation nicht auf dem Areal stattfinden könne, Weisung von ganz oben (Kirchenleitung von Rom). Den Mitarbeitenden der Casa war es sichtlich unwohl, uns diese Bad News zu überbringen. Daran war aber nichts zu rütteln.
Die Aktion nicht durchzuführen, war für uns keine Option. So verliessen wir, bepackt mit drei Kisten das Gelände und fanden den gleichwohl symbolisch passenden vor den hohen, dicken Mauern zum Vatikan. Zwar waren entlang der Mauer Überwachungskameras installiert. Diese ignorierten wir aber, auch wenn diese vermutlich der Grund waren, warum zwei Stunden später eine zivile Polizei Patrouille aufkreuzte, die wissen wollte, was für eine «Manifestatione» wir da machen würden. Wir haben sie zufriedengestellt mit der Erklärung, dass dies eine spirituelle Aktion mit Maria Magdalena und anderen Frauen sei.
Walk in her Shoes
Das Gehen in den Schuhen von Frauen, die in der Katholischen Kirche Diskriminierung, Missbrauch oder Ausschluss erfahren haben, aber auch von Frauen, die ihre Berufung mit grossen Risiken leben, bewegte alle Beteiligten. In diesem Sinn hat sich auch eine CWC-Frau aus Kolumbien geäussert, weil sie sich nicht filmen lassen wollte bzw. konnte. Das Risiko für sie sei zu gross. Das löste eine zusätzliche Betroffenheit aus. Die Wut stieg vor allem dann hoch, wenn wir darüber diskutierten, dass die Kirche auch 2023 systematisch und gewollt auf die Berufungen, das Wissen, die Erfahrungen, die Führungsqualitäten von Frauen verzichtet. In solchen Momenten weiss ich, warum ich mich, trotz aller Hoffnungslosigkeit, für strukturelle Veränderungen in der Kirche einsetze.
Das gemeinsame Innehalten im Gebet über die fünf Tage hinweg waren für mich Momente, in denen wir uns miteinander und mit Frauen weltweit verbunden haben. G-tt wurde dabei vielfältig und vielsprachig angerufen und verehrt. Dies konnte uns an diesem letzten Abend in Rom nicht verwehrt werden, auch nicht in der Casa Bonus Pastor. Wir feierten im Kreis, beteten und teilten das Brot. Aus Solidarität mit all jenen Frauen und Männern weltweit, die von der gemeinsamen Eucharistie ausgeschlossen werden, haben die Vorsteherinnen der Feier zwar Wein bereitgestellt, aber bewusst darauf verzichtet, diesen zu trinken. Das war für mich ein neues und starkes Zeichen der Verbundenheit. Der südafrikanische Segenstanz zum Abschluss liess uns erfahren, wie Seele, Geist und Körper genährt werden durch das gemeinsame Feiern.
Trotz allem Hoffnung
Ob und warum ich noch Hoffnung habe auf Veränderungen in der Kirche, fragen mich Medienschaffende meist am Schluss von Gesprächen. Ja, die habe ich, weil die Kirche sich sowieso verändert, stetig. Dieser synodale Prozess ist für mich ein Weg, den Papst Franziskus dazu nutzen könnte, wesentliche Haltungen nicht allein zu entscheiden, sondern eine glaubwürdig synodale Kirche zu ermöglichen. Ich erwarte daher von ihm, dass er nicht nur A, sondern auch B sagt. Die Entscheidungen im oder nach Oktober 2024 dürfen nicht alleine von ihm gefällt werden, sondern die Mitglieder der synodalen Versammlung und Katholik:innen weltweit in den Ortskirchen müssen mitentscheiden können. Zudem erwarte ich, dass die hierarchischen Strukturen verflacht werden und mehr Verantwortung an die Ortskirchen (also die Diözesen bzw. Bistümer) abgegeben werden. Und meine dritte Erwartung richtet sich an unsere Bischöfe in der Schweiz und ihre Mitarbeitenden, dass sie sich mutig für eine glaubwürdige Kirche des 2023 einsetzen und nicht darauf warten, was in Rom entschieden oder eben nicht entschieden wird. Dazu zitiere ich gerne die Gemeindeleiterin Hella Sodies, die im «Zischtigsclub» Bischof Josef Maria Bonnemain eindringlich daran erinnert hat: «Wir alle sind zur Freiheit berufen.»
Simone Curau-Aepli
Simone Curau-Aepli ist Präsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbunds SKF.
Walk in her Shoes
Das Gehen in den Schuhen von Frauen, die in der Katholischen Kirche Diskriminierung, Missbrauch oder Ausschluss erfahren haben, aber auch von Frauen, die ihre Berufung mit grossen Risiken leben, bewegt uns. Die Aktion «Walk in her Shoes» erinnerte daran, dass Synodalität daran gemessen wird, ob die Schicksale ungenannter und ungesehener Frauen gehört werden. Der Frauenbund, der Catholic Women’s Council und die Allianz Gleichwürdig Katholisch laden dazu ein, symbolisch in die Schuhe dieser Frauen zu steigen.
0 Kommentare
Kommentar schreiben